Stillen - so viel mehr als einfach

Stillen ist Liebe, flüssiges Gold, Himmelsnahrung.

Das Stillen ist immer noch sehr romantisiert dargestellt. Das Baby kommt auf die Welt, robbt allein zur Brust und fängt instinktiv an zu trinken. Es ist das, was wir auch im Vorbereitungskurs gesagt bekommen haben. Kein Wort von eventuellen Schwierigkeiten oder worauf man achten muss. Auf Bildern sieht man das Neugeborene friedlich und zuckersüß an Mamas Brust kuscheln. Man steckt dem Baby einfach die Brustwarze in den Mund und los geht’s.

Ja und im Idealfall läuft es so ab. Doch, dass es für viele Frauen auch wirklich hart sein kann, der Weg zum stillen, wird einem nicht erzählt.

Zu wenig Milch, das richtige Anlegen, Milchstau, Schmerzen, Hebammenmangel

Auch mein Stillstart war nicht leicht, brauchte anfangs Hilfsmittel und nur durch die intensive Begleitung unserer Hebamme haben wir es auf drei schöne Stilljahre gebracht. Ich habe mich zu Anfang oft gefragt, wieso das alles so schwer ist. Ich habe beim schreiben nach Bildern unserer Stillbeziehung gesucht und nur sehr wenig gefunden. Einige Handy Schnappschüsse. Darüber bin ich sehr traurig.

Der zweite Stillstart war schon leichter, ich war schon routinierter und doch brauchte ich auch dort wieder Hilfe und Rat unserer Hebamme. 

Ich weiß nicht, was gewesen wäre, wenn wir ohne Betreuung einer Hebamme in unserem ersten Wochenbett gemacht hätten. Und ohne Hilfe beim Stillen. Ich dachte, unser Baby trinkt. Es hat genuckelt und ist friedlich eingeschlafen. Doch nicht, weil es satt war, sondern vor Erschöpfung. 

Nun stille ich seit insgesamt 5 Jahren und obwohl ich es liebe, wünschte ich mir manchmal, dass auch mein Mann mal das Füttern unseres Babys übernehmen könnte. Ich habe mich manchmal auch unnötig eingeschränkt, nur weil in unseren Köpfen fest geglaubt wurde, dass nur ich unsere Babys ernähren kann. An die „bösen“ Alternativen haben wir uns nicht heran getraut. Zu viel Angst wurde uns gemacht. Und die Flasche zu geben, führt sowieso immer zu einer Saugverwirrung. (Ironie)


Ist unsere Gesellschaft wirklich noch so rückständig?

Ich hatte mir das mit dem Stillen anders vorgestellt, aber ich hatte mir auch unsere Gesellschaft anders vorgestellt. Moderner und weniger (ver)urteilend. Gar nicht zu stillen, zu kurz zu stillen, zuzufüttern, zu lang zu stillen. Denn ja, auch das ist wieder falsch. Meinen Dreijährigen noch zu stillen, war nämlich auch nicht richtig. Lasst die Stillbeziehung bitte sein, was es ist. Eine Beziehung zwischen zwei Menschen. Ob, wann oder wie sie beginnt, endet oder aussieht, geht niemand anderen was an.

Wie es ohne Hebamme laufen kann

Ich habe leider mitbekommen müssen wie schlimm es ausgehen kann, wenn man keine Hebamme für das Wochenbett gefunden hat und in dem Kopf der Mama fest verankert ist, dass man das Stillen mit links hinbekommt und alles ganz easy klappt. Baby und Mama wissen dann schon wie es geht. 

Eine Familie in ihrem ersten Wochenbett. Im Krankenhaus wurde gleich Säuglingsnahrung und Nuckel empfohlen, weil das Stillen nicht auf Anhieb klappte. Dann zu früh und unter dem Geburtsgewicht vorzeitig entlassen, waren sie auf sich allein gestellt. Geendet hätte das fast sehr dramatisch.

Ich durfte die Familie fotografisch begleiten. Ab dem ersten Moment als der Bruder sein neues kleines Geschwister - Baby kennen gelernt hat. Dieses Gefühl das im Raum lag - dabei zu sein. Einfach wunderschön.

Und eben diese Mama wollte bei ihrem zweiten Baby alles richtig machen. Wollte es schaffen. Hatte die Hoffnung auf Heilung und ein romantisches Wochenbett. Hat drei Wochen lang alles gegeben. Es wurde auch dieses Mal ziemlich schnell klar, dass es ohne die kompetente Hilfe einer Hebamme nie geklappt hätte. Und das hätte es auch nicht beim ersten Mal. Sie hatte keine Schuld. Sie machte sich all die Jahre so viele Vorwürfe. Was war falsch mit ihr, dass es nicht so easy und ohne Probleme klappt, dachte sie sich immer wieder. Bei allen anderen ist es doch so einfach. Und nach und nach bekam sie mit, wie die Frauen in ihrem Umfeld von ihren Schwierigkeiten beim Stillen berichten. Warum hat ihr das keiner vorher gesagt? Es wurde immer nur erzählt, wie schön und einfach das Stillen sei und, dass es das Beste für das Baby ist.


Nach drei Wochen Schmerzen, Verzweiflung und unendlicher Müdigkeit hat es funktioniert. Nach unzähligen Kannen Stilltee und flaschenweise Malzbier, Milchstau, blutige Brustwarzen, Anlegen nach Plan und ewiges Abpumpen.

Endlich, ihr Baby wurde an ihrer Brust satt. Aber der Weg dorthin war kein schöner. Ja, vielleicht stimmt die Aussage, dass das Stillen meistens klappt und das nur zu schnell aufgegeben wird und man es nicht genug versucht. Die Frage ist: Was ist genug? Und zu welchem Preis? Am Ende ist es nämlich auch besonders wichtig, dass es abgesehen vom Baby auch der Mama gut geht.

Die Familie war so glücklich, als ich ihnen die Bilder, Videos überreicht habe. Sie haben eine Erinnerung, eine unverfälschte, an das wirklich harte Wochenbett und wie sie es gerockt haben. Wie sie zusammengehalten, sich unterstützt und wie sie liebevoll ihr kleines Wunder umsorgt haben. Und das ist das besondere an der dokumentarischen Familienfotografie. Die Bilder sind eine auch eine Art Heilung und wichtig für sie zum verarbeiten. Sie werden immer eine besondere Bedeutung haben.

Es ist auch okay, nicht zu stillen.

Dass viele Frauen mit dem Thema Stillen und Wochenbett so allein gelassen werden, macht mich wütend. Ja, es ist großartig. Wenn es klappt. Wenn nicht, sind die Mama´s mit so vielen verschiedenen Meinungen und Einmischungen konfrontiert. Nicht alle Mamas können stillen - oder wollen aus den verschiedensten Gründen nicht. Und doch, wollen alle das Beste für ihr Baby. Ich wünsche mir, dass man von außen nicht direkt verurteilt wird, wenn man es anders macht, als es von uns Frauen erwartet wird.

Es ist wunderschön und vor allem super praktisch, wenn das Stillen klappt, aber keine Mutter muss stillen und muss sich nicht bis aufs äußere quälen. Es ist auch okay, nicht zu stillen.

Ein Fläschchen zu geben heißt nicht, dass man weniger liebt. 

Es ist so problematisch, Müttern subtil vorzuwerfen, dass wir unseren Babys keinen optimalen Start ermöglichen, wenn wir nicht (lange) stillen wollen oder können. Solche Vorwürfe von "Ursprünglichkeit" und "Natürlichkeit" können nicht nur zu unnötigen Schuldgefühlen führen, sondern auch zu einem negativen Stigma gegenüber anderen Ernährungsformen für Babys.

Es sollte definitiv keine Werbung für Milchalternativen geben. Aber auch keine dagegen.

Muttermilch ist krass und das Beste für das Kind. Das ist klar. Was da in unseren Körpern abgeht und wie das alles funktioniert ist faszienierend.
Und doch ist es wichtig, dass wir Mamas die Freiheit und das Recht haben, unsere Entscheidung zu treffen, wie wir unsere Babys füttern möchten, ohne dafür verurteilt zu werden. Die Vorstellung, dass Stillen der einzige Weg ist, ist überholt und unnötig einschränkend.
Statt Müttern Vorwürfe zu machen, sollten wir ihnen Unterstützung anbieten und ihnen die Freiheit geben, die beste Entscheidung für sich selbst und ihre Babys zu treffen. Und vor allem sollte jede Mama den Zugang zu einer Hebamme haben, die mit Rat und Tat zur Seite stehen kann. Der Hebammenmangel ist mit Sicherheit ein Grund, weshalb viele Frauen es gar nicht erst versuchen oder nach ein paar Tagen aus Verzweiflung aufgeben.
Mütter haben bereits viele Herausforderungen zu bewältigen, wenn sie einen kleinen Mensch geboren haben. Hormone, Müdigkeit, die riesen Veränderungen im Leben, die Veränderung im Körper, usw. Es ist unverantwortlich und unfair, zusätzlichen Druck und Schuld auf sie auszuüben.


Als Familienfotografin sehe ich es als meine Aufgabe, die Schönheit und Einzigartigkeit jeder Familie zu erfassen und zu feiern. Jede Familie und jede Mutter hat ihre eigenen einzigartigen Geschichten und Erfahrungen. Es ist an der Zeit, dass wir aufhören, uns Mamas subtil zu kritisieren und wir sollten anfangen, uns zu unterstützen und zu ermutigen, unsere eigenen Entscheidungen im besten Interesse für uns und unsere Babys zu treffen.

Wenn ihr eure besondere Geschichte festhalten lassen wollt,

dann meldet euch gern bei mir!

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Teil 2. Was ihr über mein Wochenbett wissen solltet, um nicht den gleichen Fehler zu machen.